Zwar können wir momentan praktisch rund um die Uhr die Fahndung nach dem neuen Europameister auf der Mattscheibe verfolgen, aber die Sehnsucht nach schlichtem Amateurfußball ist ebenfalls allgegenwärtig. Zur Überbrückung der langen Sommerpause könnt ihr euch über eine Klubanekdote von vor 29 Jahren erquicken...
In der Saison 95/96 startete der frischgebackene Neuling Germania Pfungstadt in der fünftklassigen Landesliga Süd durch. Abstiegsgefahr stand über die komplette Spielzeit nie zur Disposition. Im Gegenteil: Das blau-weiße Ensemble von Erfolgscoach Günter Wüst verteidigte hartnäckig den permanenten Status auf einem einstelligen Tabellenplatz. Alles Friede, Freude, Eierkuchen? Prinzipiell natürlich ja, wenn da nicht ein kleiner schwarzer Fleck die ansonsten lupenreine Rundenweste beschmutzt hätte.
Tatort Rodgau-Weiskirchen am 29. Oktober 1995: Nach einem sensationellen Auftakt (lediglich zwei Niederlagen in den ersten elf Begegnungen) bat Busfahrer Gerd Petri mit der obligatorischen Reval im Mundwinkel das vor Selbstbewusstsein strotzende Newcomer-Team zum Boarding für den Trip Richtung südlicher Offenbacher Landkreis. Unterwegs heizte „Co-Pilot“ Schorsch Hillgärtner wie gewohnt mit dem Vereinslied „Blau und weiß wie lieb ich dich“ seine Mannen über das Mikrofon ein. Prächtig stimuliert erreichte die Großraumlimousine das ungewohnte Ziel in der Rhein-Main-Ebene. Während der Ankunft sangen einige Protagonisten beim Blick auf das Rodgau-Panorama sogar reichlich übermotiviert und bezüglich der Ursprungsband relativ monoton „Erbarmen, zu spät, die Pungschter komme…“.
Nichts, aber auch rein gar nichts, deutete vor dem Anpfiff auf einen gebrauchten Nachmittag hin. Doch nach „normalen“ ersten dreißig Minuten eskalierte gnadenlos der wüste Krach aus Frankfurt, Darmstadt, Offenbach und vermieste den Germanen jeden Spaß. Die heimische Spielvereinigung nutzte einen defensiven Doppelschlagpatzer zum 2:0, was die konsternierten Gäste zur personellen Dezimierung veranlasste. Den Antrag einer radikalen Arbeitszeitverkürzung des Quartetts Rainer Niederhöfer (angebliche „Schwalbe“), Ersin Sözer und Damian Ratsch (jeweils Foul) sowie Aydin Kurt (Motzattacke) unterzeichnete der Schiedsrichter binnen einer Prozessdauer von lediglich einer Viertelstunde.
Alleine Rekordspieler Torsten Schambach verhinderte dank etlicher Glanzparaden ein Debakel und musste im restlichen Verlauf nur noch einmal hinter sich greifen. Selbstredend war jedes Rasensportvereinmitglied nach dem deprimierenden Kickfeierabend restlos bedient und wollte nur noch das Weite suchen. Ergo fand man sich zügig wieder im Bus ein, um den Ort des fußballerischen Schreckensszenarios schleunigst wieder zu verlassen.
Pech, dass vor der Rückfahrt niemand das anwesende Quantum mit der ursprünglichen Crew verglich. Einer fehlte noch, denn der Pressewart weilte pflichtbewusst bei Kaffee und Kuchen im Büro seines hiesigen Amtskollegen, bis ihm beim Gang an die frische Luft der verwaiste Busparkplatz auffiel. Im Stich gelassen von Gott und der Welt war jetzt als letzter Pungschter Mohikaner im Rodgau guter Rat teuer. Von wegen unser David Bowie heißt Heinz Schenk. Beim Gedanken an seine flüchtenden Kulturbanausen kam ihm das kalte Grausen.
Nach dem Auslotung-Scheitern aller herkömmlichen Transitmöglichkeiten blieb nur noch der Biss in den sauren Taxiapfel. Der Robert De Niro nicht ähnelnde Driver erfüllte schließlich zügig seinen kutschierenden Abholservice. Im nicht hohen, dafür aber räumlich bequemen gelben Wagen war mangels deutscher Sprachkenntnisse des „Schwagers“ an eine Konversation zwischen dem aus der Not geborenen Tandem nicht zu denken. Immerhin huschte dem ebenfalls vorn sitzenden Globetrotter beim aus dem Autoradio summenden Song „Verloren, vergessen, verzeih´n“ von Wolfgang Petry ein Lächeln ins Gesicht.
Das Obolus-Entrichten (105 D-Mark inklusive Bakschisch für 53 Kilometer) mündete im Frustsaufen in diversen Pfungstädter Kaschemmen. Schließlich war die Odyssee endgültig kompensiert, als am Day After Finanzministerin Ursel Ley nach Sichtung der Quittung und Anhörung des detaillierten Reiseberichts im Cash-Format eines blauen Scheins plus Heiermann sichtlich amüsiert den Mammon zurück überwies…