Steifgefroren, durchnässt und eine Odyssee von 34 Kilometern (An- plus Heimfahrt) quer durch den vorderen Odenwald: Die Fans des RSV Germania 03 nahmen am zweiten Advent statt WM-Konsum im geheizten WM-Studio liebend gerne einen kleinen körperlichen Raubbau in Kauf, um ihre als Außenseiter auflaufende Mannschaft beim dramatischen 3:3-Remis in Brandau zu unterstützen.
120 Sekunden fehlten dem Team von Coach Manu Meixner für einen dicken Überraschungscoup. Doch gleichwohl der in der Nachspielzeit quittierten Egalisierung ist der erfightete Teilerfolg aller Ehren wert, weil das tabellarische Kellerkind dem gastgebenden Kreisoberligaabsteiger die Stirn bot und einen vordergründig der Moral dienlichen Punkt entführte.
Dabei sprach vor dem auf Wunsch der Hausherren von 14Uhr auf 15Uhr30 verlegten Anstoß trotz Hilfe des beim jüngsten Derbysieg erworbenen Rückenwindes einiges gegen den Rasensportverein. Das Personalkarussell drehte sich im Vergleich zum Lokalduell wieder einmal rasant und katapultierte Meixner samt seinem Staff erneut auf den höchsten Improvisationslevel.
Schließlich mussten der Trainer (35) und sein vertrauter AH-Routinier Thomas Opper (57) selbst die Kickstiefel schnüren. Das erfahrene Tandem schlug kürzlich ein Angebot von Young Boys Bern in den Wind und wirft fortan seine Fußballexpertise für den RSV in die blau-weiße Waagschale. Hinzu gesellte sich der beinahe schon obligatorische Torwartwechsel (diesmal stand Tawfik Tammo Atie zwischen den Pfosten).
Das Match im klimatisch gefühlt an die Tundra anrainenden Modautal begann mit einem Schreckmoment. Nach zwei Minuten zappelte der Ball im Germania-Netz, doch der Schiedsrichter versagte den heimischen Zuschauern wegen einer Abseitsstellung die frühe Aufwärmung. Runde 360 Sekunden später fröstelte es nur noch dem mitgejetteten Anhang, weil Rafael Sanchez jr. (Filius der 98er-Zweitligalegende) unbedrängt zum 1:0 einlochen durfte.
Unmittelbar darauf verschleuderte KSG-Kicker Johannes Knaup eine Großchance. Spätestens nach dieser Aktion war auf dem durchweichten Kunstrasengeläuf auch der letzte Germane hellwach. Zur Freude des wie immer am Spielfeldrand interessiert seine beiden Sprösslinge beäugenden Daddy Azevedo bediente Christian perfekt seinen Bruder Michael und dieser nutzte die familiäre Vorleistung zum Ausgleich.
Den nächsten gewichtigen Aufreger produzierten wieder die „Branner“. Christian Azevedo fuhr beim Klärungsversuch im Sechzehner Konstantin Braun in die Parade, was einen Referee-Fingerzeig auf den Punkt zur Folge hatte. KSG-Spielertrainer Alexander Grod verwandelte - den Temperaturen angemessen – eiskalt.
Noch vor dem Halbzeitgong wurde auch dem Rasensportverein ein Strafstoß zugesprochen. Nach einer unübersichtlichen Situation entschied der Referee auf Hand, was natürlich handelsübliche Diskussionen über die Absichtsdefinition nach sich zog. Michael Azevedo schüttelte die gegnerische Protestwelle aus den Klamotten und knipste nervenstark zum 2:2-Pausenscore in die Maschen.
Zur Ouvertüre des zweiten Abschnitts wogte die hüben wie drüben offensiv gestaltete Begegnung hin und her. Brandau verbuchte zwei glasklare Gelegenheiten, die Goalie Tammie Atie durch Aktivierung seines Reflexrepertoires entschärfte. Zum in dieser Phase optimalen Termin verabreichte Michael Azevedo seinen dritten Nachmittagsnadelstich und brachte seine Farben erstmals in Front. In den Premieresequenzen nach dem 3:2 ließ die Germania zwei Hochkaräter und damit den eventuellen Fangschuss für Brandau liegen.
Wie erwartet musste sich der RSV während der Kehrausperiode gegen wütende Angriffslawinen stemmen. In der offiziell 90. Minute stand bei einer Direktabnahme gegen das Aluminiumdreieck noch Fortuna Pate, doch in der Aftertime inszenierten die Hauptdarsteller des zwischenzeitlichen 2:1 eine aus Gästesicht unliebsame Verkettungswiederholung. Wiederum kam der ansonsten überzeugende Christian Azevedo im Strafraum um Nuancen zu spät und Alexander Grod rettete durch den dritten vollstreckten Elfer der Partie seiner Elf das letztendlich gerechte Unentschieden.
Ungeachtet dessen darf man der germanischen Performance ein Lob übermitteln. Die zwei kurz vor ultimo einkassierten Zähler schmerzen selbstredend, aber der Daumen neigt sich trotz den personellen Problemzonen und dem katastrophalen Gegentorkonto (jetzt 108 Saisoneinschläge) langsam nach oben. Obwohl weiter auf einer Abstiegssprosse gefesselt, konnte man dank der Beute von sieben Punkten aus den vergangenen fünf Spielen immerhin die rote Laterne zunächst einmal aus dem Vitrinenschrank entfernen.
Aufstellungen: Tammo Atie, C. Azevedo, Meixner, Obanaamar, Opper (46. Camara), Kalai, Kaddouri, Ariif (78. Sabbagh), Beck, S. Aykir (46. Aldibo), M. Azevedo
Tore: 1:0 R. Sanchez 8. 1:1 M. Azevedo 16. 2:1 Grod 30. FE 2:2, 2:3 M. Azevedo 42. HE, 63. 3:3 Grod 90. + 4 FE
Gelbe Karten: Buchner, R. Sanchez / Beck, Camara
Am kommenden Sonntag (11.12.) schlägt der RSV Germania 03 mit dem nächsten schweren Job gegen einen Kreisoberligaabsteiger das Kreisliga A - Fußballbuch 2022 zu. Nominell war das Match gegen Roßdorf ursprünglich vor eigenem Publikum fixiert. Weil beim Hinspieltermin vor wenigen Wochen der SKG-Ground sich als unbespielbar erwies, tauschten die beiden Vereine damals das Heimrecht, was in einer bitteren 2:10-Klatsche an der Ostendstraße mündete. Mit Einverständnis des Gegners und des Klassenleiters findet jetzt auch das Rückspiel am Grünen Steg statt (Anstoß 14Uhr). Vielleicht kann die blau-weiße „Erste“ ja zur Revanche eine Überraschung auf´s Parkett zaubern und damit den Zweitmannschaftskameraden nacheifern, denn am vergangenen Dienstag feierte das Kreisliga C – Team im Rahmen seiner Nachholbegegnung einen 4:1-Erfolg in Roßdorf und verabschiedete sich mit einem Erfolgserlebnis in die Winterpause.