Der RSV Germania 03 feierte am Sonntagnachmittag nach einem wahnwitzigen 5:5-Drama gegen FC Ober-Ramstadt inmitten des Hessentagsflanieren den Kreisliga A – Ligaverbleib. Das eigene Remis plus Schützenhilfe von Meister Hellas Darmstadt genügten, um mit zwei Zählern Vorsprung auf FSV Schneppenhausen den Kreisliga A – Kontrakt um weitere zwölf Monate zu verlängern.
Vom sportlichen Himmel in die Hölle und wieder zurück Richtung Garten Eden: So könnte man die über anderthalb Stunden andauernde Berg- und Talfahrt betiteln. Auf jeden Fall ist der prall gefüllte Klubalmanach im Jubiläumsjahr um ein denkwürdiges Kapitel reicher. Die Mannschaft von Coach Manu Meixner war ungeachtet eines vorgelegten 2:0-Guthabens zwischenzeitlich mausetot, weil sich aufgrund von fünf hintereinander abgeschickten FCO-Pfeilen ins blau-weiße Herz das anheimelnde Rettungsantlitz in ein bedrohliches Abstiegsgespenst verwandelt hatte. Doch die Hausherren steckten nicht auf und heimsten dank toller Moral und nimmermüden Einsatzes auf der letzten Rille noch das Unentschieden ein. Praktisch zum gleichen Zeitpunkt krönte Meister Hellas sein Ergebniswendemanöver in Schneppenhausen mit dem 3:1 und die Rettungskorken konnten am Grünen Steg knallen.
Vor dem Anpfiff schwörte Meixner seine Mannen intensiv auf den Showdown ein. Seine anweisende Stimme war ruhig, aber deutlich zu vernehmen. Schließlich hatte er 24 Stunden zuvor in der deutschen Hauptstadt ausreichend Sauerstoff getankt, als er Harald Juhnke imitierte und den Operettenevergreen von der Berliner Luft mit ihrem holden Duft trällerte.
Dass die germanische Hoffnung auf eine Last Minute – Versetzung nicht gleich zu Beginn verpuffte, dafür sorgte Oliver Gora in der siebten Minute. Nach einem energischen Zweikampf von Neziraj musste der Routinier den Ball nur noch über die Linie schieben. 240 Sekunden später war die Chance riesengroß, dass weiterer Druck abfällt. Gora wurde im Sechzehner gefällt, aber Sinan Aykir scheiterte mit dem fälligen Strafstoß an Keeper Marvin Leskov.
Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Eine Viertelstunde darauf deutete Schiedsrichter Helfrich in Folge einer Attacke gegen Aykir wiederum auf den Punkt. Diesmal übernahm Hishyar Ibo die Verantwortung aus elf Metern und gestattete Leskov nicht den Hauch einer Abwehrmöglichkeit. Allerdings wäre die Germania nicht die bekannt defensiv anfällige Germania, wenn sich die Mission „Klassenerhalt aus eigener Kraft“ als Selbstläufer entpuppt hätte.
Nach einem Patzer von Schlussmann Tammie Atie (unterlief eine Ecke) markierte Ober-Ramstadt den Anschluss und schwups nahm die Absicherungproblematik wieder ihren gewohnten Platz ein. Die Gäste nutzten das bröckelnde Bollwerkverhalten noch vor der Pause zum Ausgleich. Allerdings hatte sich zur Halbzeit an der Ausgangssituation rein gar nichts verändert, weil in Schneppenhausen toremäßig noch Nulldiät herrschte.
In der zweiten Hälfte schlug das Schicksalspendel zunächst jedoch komplett gegen die Germanen aus. Während der Fahndung Richtung erlösendes 3:2 liefen die Platzhirsche dreimal ins offene Messer. Nach dem 2:5 verschwand der Klassenerhalt am Horizont, zumal das Schneppenhäuser Team gleichzeitig das für sie in diesem Moment rettende 1:0 erzielte. Gruselige Momente überschatteten nun den Traditionsground an der Ostendstraße. Auch beim Blick auf die Trainerbank gab es in jenen trostlosen Sequenzen keinen Silberstreif zu erkennen. Manu Meixner schien den Glauben an ein Fußballwunder schon begraben zu haben. Seine Elf stand unabänderlich am kickenden Abgrund.
In jener depressiven Phase, als Ober-Ramstadt einem sechsten Treffer näher war als der RSV einer Verkürzungsmaßnahme, initiierte ein perfekt zirkulierter Kunstschuss von Lashun Morris den dringendst benötigen Weckruf. Mannschaft und Fans rissen sich im Einklang noch einmal am Riemen und bliesen lautstark ins Zuversichtshorn. Das zeitgleich mit der Hellas-Egalisierung vonstatten gehende 4:5 (Kopfball Al Hadid) münzte den kurz zuvor noch als Tragödie abgebildeten Grünen Steg endgültig in ein Tollhaus um.
Irgendwo führten die Erben von Alfred Hitchcock wahrscheinllich mit versteckter Kamera Suspense-Regie. Der nervenzerreißende Showdown musste sich vor den eine Woche zuvor in den drei Pofiligen konstatierten Herzschlagfinals nicht verstecken. In der Nachspielzeit avancierte der schon als „Mr. Chancentod“ abgestempelte Sinan Aykir (vergab im Machverlauf neben dem Elfer noch weitere Hochkaräter) zum Lucky Punch – Helden und lochte überlegt zum nicht mehr für realistisch gehaltenen 5:5 ein, während Schneppenhausen im selben Zeitfenster die beiden entscheidenden Einschläge zur 1:3-Heimniederlage kassierte.
Die anschließende Jubeltraube am (Hessen-)Tag machte die Erleichterung nach einer insgesamt verkorksten Saison optisch sichtbar. Sicherlich war eine große Partie Glück mit im Spiel (Schützenhilfe, Aussetzen der Relegation usw.), aber wer trotz aller Rückschläge nie den Kopf in den Sand gesetzt und trotz Horrortorbilanz (169 Saisongegentreffer für einen Nichtabsteiger dürften einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde wert sein) bis zum ultimativen Feierabend an sich geglaubt hat, der hat das Happyend, für das Manu Meixner sicherlich ein Löwenanteil beisteuerte, auch irgendwie verdient.
Durch die Bank weg alle Germanen müssen nach dieser komplizierten Runde jetzt erst einmal sämtliche Akkus aufladen. Allen Freunden des 120jährigen blau-weißen Jubilars eine erholsame Sommerpause und ein herzliches Glückauf!
Aufstellung: Tammo Atie, Gora, C. Azevedo, Vetter (32. Al Hadid), Kalai (54. Ali Ulusow), Obanaamar, Neziraj, Morris, Ibo, Aldibo, S. Aykir
Tore: 1:0 Gora 7. 2:0 Ibo 26. FE 2:1 Sofu 34. 2:2 Kaygusuz 38. 2:3 T. Yilmaz 51. 2:4 Errol 62. 2:5 Sofu 65. 3:5 Morris 70. 4:5 Al Hadid 76. 5:5 Aykir 90. + 2
Schiedsrichter: Wolfgang Helfrich aus Elmshausen
Besonderes: Aykir (RSV) scheitert mit FE an TW Leskov 10.; Rote Karte TW Leskov (FCO) 90. + 2